mein grossvater, karl borromäus fähndrich

heute vor 145 jahren am 4. 4. 1876 ist mein grossvater mütterlicherseits karl in ingoldingen in oberschwaben nicht weit von biberach geboren. sein vater, adolph fähndrich, sohn des lehrers meinrad fähndrich, war lehrer in ingoldingen, wo er von 1835 bis 1902 mit seiner frau margarethe horn lebte. sie hatten fünf kinder, klara, rosa, ida, karl und otto.

karl war mein grossvater, seine schwester rosa war mit jakob baur, kirchen- und kunstmaler in mengen verheiratet. der jüngste, otto, war ebenfalls kunstmaler in münchen, von dem man nichts weiss, ausser dass er bei der familie seines bruders karl immer nur nachts erschien und dringend geld brauchte, um seine schulden zu bezahlen.

karl ist in einem internat aufgewachsen, worüber er nie gesprochen habe, aber schlimme erinnerungen gehabt haben muss, denn er betonte ein leben lang, dass keines seiner kinder je in ein internat käme. der einzige ort, wo er dort glücklich war, sei der raum mit dem klavier gewesen, auf dem er sich offenbar gute fertigkeiten erwarb – er war ein leben lang ein eifriger und guter klavierspieler, davon zeugen auch überlieferte, liebevoll beschriftete notenhefte, u.a. mit “neuen meistern” wie grieg, tschaikowski und anton rubinstein…

er war stark übergewichtig, das zeigt das verlobungsfoto von 1900, und 1914, immerhin schon 38 jahre alt, wurde er beim kriegsausbruch vom militärdienst freigestellt, was damals als grosse schande galt.

er soll ein strenger lehrer gewesen sein, vor allem gegenüber seinen eigenen kindern. neben dem klavier- und orgelspiel widmete er sich der rosenzucht und malte er im nazarenerstil – ein ölgemälde einer mariendarsrellung mit mehreren kindern, nach den aussagen meiner mutter – seiner kinder – befindet sich in meinem besitz. ich vermute, dass er in kontakt stand mit seinem schwager jakob baur – mengen ist nicht weit von wiblingen entfernt – , habe aber keinen beleg dafür. baur hatte in münchen an der akademie studiert und malte jedenfalls im selben stil und war als kirchen- und genremaler sehr erfolgreich.

als junger lehrer wurde karl oft versetzt, das zeigen die verschiedenen geburtsorte seiner acht kinder in einem raum von oberkochen im sog. unterland bis nach oberschwaben, aber schliesslich landete er in wiblingen bei ulm, wo sich schule und lehrerwohnung im aufgelassenen riesigen ehemaligen klostergebäude, die hauptsächlich als kaserne genutzt wurde, befanden.

der strenge lehrer wurde als weich und gefühlvoll beschrieben, z.b. habe er, als seine kinder flügge wurden, nachts am fenster gewartet, bis alle wieder nach hause gekommen waren.

er hatte 1904 meine grossmutter elisabeth grieshaber in der “schönsten dorfkirche der welt” in steinhausen geheiratet – die oma lebte bis 1969 und stammte von einem bauernhof mit bäckerei in ingoldingen.

weil ihr mann dauernd versetzt wurde und ihr bruder joseph früh an schwindsucht starb, wurden hof und bäckerei verkauft, und elisabeth galt als wohlhabende partie. bei jeder geburt ihrer acht kinder habe sie nachgerechnet, wieviel von den goldmark für jedes kind noch verbliebe, bis dann im ersten weltkrieg die goldmark in kriegsanleihen umgewandelt wurden und verlorengingen. unsere oma, mit der wir als kinder engen kontakt hatten, erzählte oft, wie gross der jammer wegen dieses verlustes war, und wie sie ihrem mann insgeheim gram war, dass er seinetwegen alles verkaufen musste und eingebüsst hatte, fügte dann aber lachend hinzu, dass sie durch die lehrerpension, die ihr als witwe über 35 jahre zustand, in ihrem langen leben ein vielfaches an geld zurückbekam.